Widerruf Immobiliendarlehen: Was Sie tun können

Infos zu Widerruf Immobiliendarlehen
Der Widerruf vom Immobiliendarlehen kann Vorteile haben, birgt aber auch Risiken.

Bei einem Immobiliendarlehen ist in aller Regel eine ziemlich große Summe im Spiel. Und eine Baufinanzierung läuft über viele Jahre. Deshalb werden Sie sich in aller Regel gut überlegt haben, ob Sie Ihre Unterschrift unter den Kreditvertrag setzen. Trotzdem kann sich Ihre Entscheidung als Fehler entpuppen. Weil sich Ihre Lebenssituation unerwartet verändert oder auch, weil im Nachhinein ein viel besseres Kreditangebot auftaucht, zum Beispiel. Eine Möglichkeit, wie Sie dann wieder aus dem Vertrag herauskommen, ist der Widerruf vom Immobiliendarlehen. Und in bestimmten Fällen können Sie das Darlehen sogar Jahre nach dem Abschluss noch widerrufen.

Der Gesetzgeber räumt bei einigen Verträgen ein Widerrufsrecht ein. Neben Verträgen, die Sie online abschließen, gehören dazu auch Immobiliendarlehen. Das Widerrufsrecht ermöglicht Ihnen, innerhalb einer bestimmten Frist vom Kreditvertrag zurückzutreten. Und nach erfolgreichem Widerruf Ihres Immobilienkredits sind Sie so gestellt, als hätten Sie den Vertrag nie unterschrieben.

Im Fall eines Baudarlehens führt der Widerruf zwar dazu, dass Sie der Bank den Teil der Kreditsumme, den Sie schon genutzt haben, erstatten müssen. Aber danach können Sie sich ein anderes Immobiliendarlehen suchen, das bessere Konditionen bereithält.

Eigentlich soll das Widerrufsrecht dabei helfen, voreilige oder falsche Entscheidungen zeitnah zu berichtigen. Tatsächlich können Sie aber mitunter auch lange Zeit nach dem Abschluss noch aus dem Immobiliendarlehen aussteigen. Das ist nämlich dann der Fall, wenn Sie Ihre Bank nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt hat.

Widerruf Immobiliendarlehen – zunächst die Hintergründe

Normalerweise beträgt die Widerrufsfrist bei Baufinanzierungen 14 Tage. Nach dem Abschluss des Vertrags haben Sie also für einen Widerruf des Immobiliendarlehens nur zwei Wochen lang Zeit.

Voraussetzung ist aber, dass Sie die Bank ordnungsgemäß über Ihr Recht, den Vertrag zu widerrufen, belehrt hat. Das geschieht durch die sogenannte Widerrufsbelehrung, die Bestandteil der Vertragsunterlagen ist. Doch wenn die Belehrung fehlerhaft ist oder komplett fehlt, greifen andere Widerrufsfristen.

Genau das kam vielen Verbrauchern zugute. Denn es stellte sich heraus, dass diverse Banken und Sparkassen fehlerhafte Widerrufsbelehrungen verwendet hatten. Und die Folge davon war, dass die 14-tägige Widerrufsfrist nicht galt. Deshalb konnten die Verbraucher ihre Verträge de facto ewig widerrufen.

Allerdings hat der Gesetzgeber im Jahr 2016 mit einer nachträglichen Befristung reagiert. Dadurch konnte ein Großteil der alten Baukredite nur noch bis zum 21. Juni 2016 widerrufen werden. Das ewige Widerrufsrecht blieb nur für wenige Immobiliendarlehen bestehen.

Der Europäische Gerichtshof hat kürzlich aber ein Urteil gefällt, dass die Sachlage noch einmal durcheinanderwirbeln könnte.

Wann ist der Widerruf von Immobiliendarlehen noch möglich?

Bei einer fehlenden oder fehlerhaften Belehrung über das Widerrufsrecht greift die 14-tägige Frist grundsätzlich nicht. Ob und wie lange in Ihrem Fall ein Widerruf möglich ist, richtet sich aber danach, wann Sie das Immobiliendarlehen aufgenommen haben.

Bis September 2002

Haben Sie den Vertrag für Ihr Immobiliendarlehen vor dem 1. September 2002 unterschrieben, kommt ein Widerruf in aller Regel nicht Betracht. Denn bis dahin gab es für die meisten Baukredite noch gar keine gesetzlichen Regelungen, die sich mit dem Widerrufsrecht und der Belehrung darüber befassten. Und wenn keine Vorschriften existieren, kann die Widerrufsbelehrung logischerweise auch nicht fehlen oder falsch sein.

Zwischen September 2002 und Juni 2010

Haben Sie Ihr Immobiliendarlehen im Zeitraum vom 1. September 2002 bis zum 10. Juni 2010 abgeschlossen, war ein Widerruf bis zum 21. Juni 2016 möglich.

Bei diesen Verträgen hatte es zunächst ein zeitlich unbefristet Widerrufsrecht geben, wenn die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß war. Nachdem der Gesetzgeber aber im Nachhinein eine Frist gesetzt hatte, hatte sich ein möglicher Widerruf bei den meisten Verträgen erledigt. Das ewige Widerrufsrecht besteht nur noch dann, wenn die Belehrung komplett fehlt.

Von Juni 2010 bis März 2016

Kam Ihr Immobiliendarlehen zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016 zustande, bleibt ein Widerruf unendlich lange möglich. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Widerrufsbelehrung fehlerhaft oder gar nicht vorhanden war. Das ewige Widerrufsrecht gilt in beiden Fällen.

Ab März 2016

Wenn Sie Ihr Immobiliendarlehen nach dem 21. März 2016 aufgenommen haben, gelten die gesetzlichen Regelungen zum Widerrufsrecht. Demnach führt eine fehlerhafte oder fehlende Belehrung dazu, dass sich die Widerrufsfrist um ein Jahr verlängert. Hat Sie Ihre Bank nicht ordnungsgemäß über Ihr Widerrufsrecht belehrt, können Sie den Kreditvertrag somit maximal ein Jahr und 14 Tage lang widerrufen.

Welches Urteil hat der Europäische Gerichtshof gefällt?

Im November 2016 hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit einer Formulierung beschäftigt, die in der Widerrufsbelehrung eines Kreditvertrags enthalten war. Demnach sollte die Widerrufsfrist „nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach §492 Abs. 2 BGB erhalten hat“ beginnen.

Der BGH erklärte diese Formulierung für wirksam (Urteil vom 22.11.2016, Az. XI ZR 434/15). Ein Widerruf war damit bei Kreditverträgen, in denen die Belehrung so formuliert war, ausgeschlossen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sah die Sache anders. Seiner Meinung nach reicht es nicht, wenn die Belehrung nur auf eine nationale Vorschrift hinweist, die selbst auf anderen Gesetzen beruht. Stattdessen müssen die Infos zum Widerrufsrecht auch die Bedingungen erklären, die für die Berechnung der Widerrufsfrist gelten.

Da der EuGH die Formulierung deshalb als Verstoß gegen EU-Recht wertete, könnten entsprechende Verträge weit über die 14-Tages-Frist hinaus widerrufen werden (Urteil vom 26.03.2020, Az. C-66/19).

Damit kamen der BGH und der EuGH zu gegensätzlichen Ansichten. Der Rechtsstreit, der dem ganzen Fall zugrunde liegt, war zunächst vor dem Landgericht Saarbrücken verhandelt worden und wird dort auch wieder entschieden.

Allerdings werden die Bank und der Kunde das Urteil vermutlich nicht akzeptieren. Letztlich wird der Fall deshalb wohl im Zuge der Revision erneut zum BGH kommen. Und dann wird der BGH auch die Entscheidung des EuGH berücksichtigen müssen.

Außerdem wird sich erst noch zeigen, wie deutsche Gerichte in Zukunft urteilen werden. Auch die Reaktion von Banken und Sparkassen auf Widerrufe bleibt abzuwarten. Eher unwahrscheinlich ist aber, dass sie ohne Gegenwehr zustimmen, wenn Kunden alte Baufinanzierungen widerrufen. Trotz des EuGH-Urteils ist ein erfolgreicher Widerruf daher keineswegs garantiert.

Wann kann sich der Widerruf eines Immobiliendarlehens lohnen?

Inwieweit sich die Entscheidung des EuGH auf Ihren Baukredit auswirkt, hängt davon ab, wie die Widerrufsbelehrung in Ihrem Vertrag formuliert ist. Grundsätzlich kann es sich bei einem älteren Immobiliendarlehen aber dann lohnen, über einen Widerruf nachzudenken, wenn

  • Sie den Vertrag im Zeitraum vom 11. Juni 2010 bis zum 20. März 2016 abgeschlossen haben. Ansonsten dürfte das Widerrufsrecht schon erloschen sein.
  • die Widerrufsbelehrung in Ihrem Vertrag die oben zitierte Formulierung enthält.
  • Sie ein Darlehen mit günstigeren Zinsen abschließen, eine teure Vorfälligkeitsentschädigung vermeiden oder eine schon geleistete Vorfälligkeitsentschädigung zurückholen möchten.

Durch einen Widerruf gehen Sie immer auch ein Risiko ein. Zu den Risiken kommen wir gleich noch. Jedenfalls sollten Sie sich unbedingt von einem Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht beraten lassen, bevor Sie etwas unternehmen. Der Rechtsanwalt kann abschätzen, wie Ihre Chancen stehen, den Widerruf erfolgreich durchzusetzen.

Was ist typische Gründe für den Widerruf von Immobiliendarlehen?

Dass jemand aus einer Baufinanzierung aussteigen will, kann natürlich die verschiedensten Ursachen haben. Die Praxis zeigt aber, dass es vor allem drei Gründe für einen Widerruf gibt:

  • Der Kreditnehmer möchte oder muss die finanzierte Immobilie verkaufen. Der Erlös aus dem Verkauf soll verwendet werden, um die Restschuld zu tilgen. Gleichzeitig möchte der Kreditnehmer aber vermeiden, dass er eine hohe Vorfälligkeitsentschädigung zahlen muss.
  • Der Kreditnehmer will ohne zusätzliche Kosten aus dem laufenden Immobiliendarlehen aussteigen und die Restschuld entweder auf einmal tilgen oder zu einem günstigeren Baukredit wechseln.
  • Die Baufinanzierung ist zwar schon abbezahlt. Allerdings hat der Kreditnehmer damals eine Vorfälligkeitsentschädigung bezahlt, die er sich zurückholen möchte.

Durch den Widerruf können sich Vorteile ergeben

Mitunter ist es gar nicht so einfach, einen Baukredit vorzeitig zu beenden. Denn teilweise akzeptieren die Banken die Kündigung nicht. Oder sie lassen sich die entgangenen Zinsen durch eine satte Vorfälligkeitsentschädigung ausgleichen. Wenn Sie dann vom Widerrufsrecht Gebrauch machen können, weil die Belehrung fehlerhaft war, kann das ein großer Pluspunkt für Sie sein.

Gerade in einer Phase mit sehr niedrigen Zinsen können Sie durch einen Wechsel nämlich viel Geld sparen. Ein Beispiel: Sie haben das Immobiliendarlehen mit einem Zinssatz von fünf Prozent aufgenommen. Jetzt können Sie einen Vertrag mit einem effektiven Jahreszins von rund einem Prozent abschließen. Durch die unterschiedlichen Zinssätze kann über die gesamte Laufzeit eine Ersparnis von mehreren tausend Euro zusammenkommen.

Doch auch wenn der Kredit nicht mehr läuft, können Sie sich eine seinerzeit bezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückholen. Sie können das Darlehen nämlich widerrufen, obwohl der Vertrag bereits gekündigt ist. Das hat der BGH in einem Urteil bestätigt (Urteil vom 21.02.2017, Az. XI ZR 381/16).

Ebenso hat der BGH klargestellt, dass es kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben ist, wenn der Verbraucher mittels Widerruf aus einem Vertrag aussteigt, der aus heutiger Sicht sehr teuer ist. Zwar muss immer der Einzelfall betrachtet werden. Aber generell ist nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Verbraucher sein Widerrufsrecht nutzt (Urteil vom 12.07.16, Az. XI ZR 501/15).

Welche Risiken drohen, wenn Sie Ihr Immobiliendarlehen widerrufen?

Offensichtliche Fehler in einer Widerrufsbelehrung sind selten. Vielmehr sind meist kleine Details oder ergänzende Formulierungen die Gründe für eine unwirksame Belehrung. Doch ohne juristisches Fachwissen werden Sie kaum beurteilen können, ob die Belehrung in Ihrem Vertrag den Vorgaben gerecht wird.

Ist bei Ihrem Immobiliendarlehen das Recht auf einen Widerruf noch nicht erloschen, sollten Sie Ihre Unterlagen von einem Fachmann prüfen lassen. Ein Anwalt oder auch die Verbraucherzentrale kann abschätzen, ob die Belehrung fehlerhaft ist und was Sie unternehmen können.

Vorschnell sollten Sie einen Widerruf auf keinen Fall erklären. Denn auch wenn Ihnen der Widerruf finanzielle Vorteile verschaffen kann, birgt er eben auch Risiken. Und dabei fallen vor allem zwei Dinge in Gewicht:

1. Kosten für ein Gerichtsverfahren

Sie müssen damit rechnen, dass Ihre Bank nicht mitspielen will. Einige Banken weisen einen Widerspruch bei einem laufenden Immobiliendarlehen aus Prinzip zurück und sind nicht bereit, eine Lösung zu finden. Andere Banken stimmen erst dann zu, wenn Sie die Sache an einen Anwalt übergeben.

Lehnt Ihre Bank den Widerspruch ab, müssten Sie im nächsten Schritt Klage erheben. Allerdings führt der oft hohe Kreditbetrag bei einer Baufinanzierung zu einem entsprechend hohen Streitwert. Dadurch können schnell ordentliche Anwalts- und Gerichtskosten entstehen. Diese Kosten tragen Sie, wenn Sie das Verfahren verlieren.

Dass Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, nützt Ihnen wenig. Denn Streitigkeiten, bei denen es um die Finanzierung von Immobilien geht, deckt der Versicherungsschutz im Normalfall nicht ab. Lassen Sie sich deshalb von einem Anwalt zum Prozesskostenrisiko beraten.

Außerdem sollten Sie im Hinterkopf haben, dass die Anwaltskosten auch dann fällig werden, wenn Sie nicht klagen. Denn die Beratung stellt Ihnen der Anwalt in Rechnung. Gleiches gilt, wenn er Sie außergerichtlich vertreten hat.

Und es kann gut sein, dass Sie gar nicht beeinflussen können, ob ein Gerichtsverfahren stattfindet. Banken reichen nämlich mitunter selbst Klage ein, um die Wirksamkeit eines Widerrufs vom Gericht feststellen zu lassen.

2. Probleme mit einer Anschlussfinanzierung

Ein erfolgreicher Widerruf bewirkt, dass das Immobiliendarlehen gemäß §§ 346 ff. BGB rückgängig gemacht wird. Das bedeutet: Sie geben der Bank die Darlehenssumme wieder. Im Gegenzug erstattet Ihnen die Bank den Gesamtbetrag, den Sie durch die monatliche Rate bis dahin zurückgezahlt haben.

Außerdem erhalten Sie eine Entschädigung dafür, dass die Bank mit dem Geld aus den Kreditraten in der Zwischenzeit wirtschaften konnte. Genauso müssen Sie aber für das Darlehen, das Ihnen die Bank zur Verfügung gestellt hatte, einen Wertersatz leisten. Berechnet wird das Ganze mit dem Zinssatz, der vertraglich vereinbart war. Die einzelnen Beträge können dann miteinander verrechnet werden.

Die Restschuld, die aus dem Immobiliendarlehen unterm Strich übrig bleibt, kann die Bank innerhalb von 30 Tagen nach dem Widerruf einfordern. Aus diesem Grund sollten Sie sicherstellen, dass Sie die Zahlung leisten können. Andernfalls riskieren Sie Ihre Immobilie.

Die Praxis zeigt allerdings, dass es schwierig werden kann, eine Anschlussfinanzierung zu finden. Haben Sie das Immobiliendarlehen durch einen Widerruf beendet, gewähren einige Banken nämlich keinen Kredit mehr.

Weil Sie die Restschuld aber innerhalb von 30 Tagen begleichen müssen, bleibt Ihnen kaum Zeit für die Suche nach einem neuen Kreditgeber. Können Sie das alte Baudarlehen nicht aus eigenen Mitteln ablösen, sollten Sie sich deshalb unbedingt erst die Zusage für die neue Finanzierung sichern, bevor Sie Ihren Widerruf erklären.